In nicht einmal einem halben Jahr wird es im deutschen Bankaufsichtsrecht eine neue Finanzdienstleistung in Form des Kryptoverwahrgeschäfts geben, sofern es sich der deutsche Gesetzgeber nicht doch noch anders überlegt. Die Entscheidung für die künftige Erlaubnispflicht für Verwahrer von Kryptowerten wird aktuell stark diskutiert und kritisiert. Insbesondere der ab dem kommenden Jahr neue § 32 Abs. 1g im Kreditwesengesetz, nach dem eine Erlaubnis zur Kryptoverwahrung von der BaFin nur Unternehmen erteilt werden darf, die ansonsten keine anderen erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringen, stößt den Kritikern bitter auf. Die deutsche Blockchain Community fragt sich, ob ein derart massiver Eingriff in die Berufsfreiheit von Kryptoverwahrern noch verhältnismäßig sein kann. Zwar hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag im Jahr 2018 noch versprochen, sich für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Kryptowährungen und Token auf europäischer und internationaler Ebene einzusetzen. Von dieser Idee ist sie inzwischen jedoch offensichtlich abgekommen und wählt bei der Regulierung von Kryptowährungen stattdessen einen nationalen Alleingang.

WANN KANN EINE BAFIN LIZENZ AUCH IN ANDEREN EUROPÄISCHEN LÄNDERN GENUTZT WERDEN?

Mit dem sogenannten europäischen Pass können Banken und Finanzdienstleister ihre in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) erhaltene Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb auch in den anderen Mitgliedstaaten des EWR nutzen, sofern sie diese Absicht ihrer Heimataufsichtsbehörde zuvor anzeigen. Soweit die Aufsicht der Heimatbehörde hinsichtlich der durch das Passportverfahren in dem Gastland anzubietenden Dienstleistungen den Aufsichtsstandards des Gastlandes entspricht, soll keine doppelte Aufsicht erfolgen und das Geschäft nur von der Heimatbehörde beaufsichtigt werden. Da die Regeln der Bankenaufsicht zum allergrößten Teil aus europäischen Richtlinien und Verordnungen kommen, ist im EWR in den meisten Fällen eine Bankenaufsicht auf gleichem Niveau gewährleistet. Möchte beispielsweise eine in Deutschland zugelassene Privatbank auch in Frankreich Kredite an Firmenkunden vergeben, reicht es aus, wenn sie diese Absicht der BaFin mitteilt, die wiederum die französische ACPR informiert.

WO LIEGEN DIE GRENZEN DES EU-PASSPORTING VERFAHRENS?

Das EU-Passporting kommt hingegen nicht in Betracht, wenn die bankaufsichtsrechtlichen Standards in den betreffenden Mitgliedstaaten unterschiedlich sind. Insbesondere kann der Europäische Pass nicht genutzt werden, wenn sich ein Mitgliedstaat dazu entschlossen hat, über seine Pflichten aus den EU-Richtlinien hinaus bestimmte Tätigkeiten zu regulieren, die nach den europäischen Vorgaben nicht reguliert werden müssten. Die in diesem Mitgliedstaat dann stattfindende Aufsicht über die Tätigkeit ist in den übrigen Mitgliedstaaten nicht erforderlich, da die Tätigkeit dort schon nicht unter Erlaubnisvorbehalt steht. Da somit die Aufsichtsstandards verschieden sind, kommt das EU-Passporting für die Tätigkeit nicht in Betracht. Häufig werden Unternehmen in solchen Fällen auch kein Interesse an einem EU-Passporting ihrer Erlaubnis haben, da sie im Gastland die Tätigkeit auch ohne Erlaubnis der Aufsichtsbehörde erbringen können. Problematisch sind die nationalen Regulierungsalleingänge aber insbesondere dann, wenn Tätigkeiten gleich in mehreren EU-Mitgliedstaaten verschieden reguliert werden. In diesen Fällen müssen europaweit operierende Unternehmen in jedem dieser Mitgliedstaaten für die richtige Erlaubnis und Beaufsichtigung sorgen.

BASIERT DIE REGULIERUNG DER KRYPTOVERWAHRUNG AUF DER 5. GELDWÄSCHERICHTLINIE?

Der deutsche Gesetzgeber hat die Umsetzung der Vorgaben aus der 5. Geldwäscherichtlinie zwar zum Anlass genommen, die Kryptoverwahrung als neue Finanzdienstleistung zu regulieren. Dennoch wird das EU-Passporting-Verfahren in Bezug auf das Kryptoverwahrgeschäft nicht funktionieren, weil aus der Richtlinie keine Pflicht zur Einführung einer neuen erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistung folgt. Die 5. Geldwäscherichtlinie ordnet lediglich an, Verwahrungsdienstleister von virtuellen Währungen zu verpflichten, die Sorgfaltspflichten der Geldwäscheregulierung einzuhalten. Sie sollen nach den Vorgaben der Richtlinie unter anderem in Zukunft ihre Kunden bei der Begründung der Geschäftsbeziehung identifizieren (KYC) und bei Verdachtsmomenten oder höheren Transaktionen die ihnen bekannte Identität überprüfen müssen. Insofern ist die Einführung der Kryptoverwahrung als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung ein nationaler Alleingang, der keine Basis in der Geldwäscherichtlinie hat. Die deutsche Regierung erschwert damit erheblich die europäische Dienstleistungsfreiheit für Kryptodienstleistungen.

Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)

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